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Dieter Kastel:


Expressionismus

Schon als Kind bin ich bei meinem Vater auf dem Motorrad mitgefahren und muß mir dabei wohl einen fürchterlichen Motorradbazillus eingefangen haben.
Seltsamerweise haben mich persönlich die alten und uralten Motorräder mehr als die Modernen fasziniert. Eines Tages (ich war so 12 Jahre alt) brachte mein Vater eine Triumpf 125 (TWN) aus Nürnberg von 1940 mit. Sie sah fürchterlich aus. Ich drängte stets auf die Restaurierung, doch Vater verkaufte das Maschinchen wegen fehlender Lust gleich wieder. Ich war ziemlich sauer. Als ich 22 Jahre alt war (bis dahin bin ich ca. 80.000 km selbst auf dem Motorrad gefahren) komme ich bei Vattern in die Garage..... Was steht denn da?? Ein ziemlich häßliches, komplett mit dicken Läufern gestrichenes 50er-Jahre Motorrad. Bei näherer Betrachtung stellte ich fest, daß es sich um eine Express aus Neumarkt bei Nürnberg handelt. Was hat Vater damit vor?
Nichts, weiterverscherbeln. Ich hab direkt die DM 150,- Selbstkostenpreis gezückt und schon war ich stolzer Besitzer eines Schrotthaufens. Vielleicht kennt Ihr das Gefühl...Goldgräberstimmung.
Express hab ich schon mal gehört, aber mehr wußte ich nicht. Also den roten Tragatsch (die Nr. 1 unter den Motorradbüchern, die Motorradbibel) aufgeschlagen und nachgesehen...nun wußte ich zumindest etwas über die Firma, aber welches Modell habe ich? Ich habe dann den Zylinder runtergenommen um den Hubraum zu errechnen. Der erste Schreck: Der Kolben ist weg. Aber ich wußte nun, daß es sich um einen 250er Einzylinder handelt. Diverse Anfragen bei Oldtimer-Markt, -Praxis und Motorrad-Classic brachten nichts ein, die hatten auch nur den Tragatsch. Dann bekam ich aber von Herrn Illg (Motorrad-Classic) den Hinweis auf Emil Wirnitzer, Renn- und Versuchsfahrer bei Express. Dieser lebte in Neumarkt und war mit 108 Siegen (u.a. bei den Six-Days in Wales) der erfolgreichste Werksrennfahrer von Express. Leider ist Herr Wirnitzer Anfang 2001 verstorben.
Dieser Mann war ein wandelndes Express-Lexikon. Er nannte mir sofort den Typ meiner Maschine (Express Radex 251 von 1953) und gab mir viele Tips bezüglich der Lackierung.
Ich habe die ganze Maschine komplett selbst verzinnt, der Rost hat keine Chance mehr! Würde ich heute nicht mehr machen, war ne Sau-Arbeit.
Viele Stunden wurde geschweißt, Seltene Alu-Teile aus dem Vollen neu gefräst.
Den Kabelbaum habe ich mit Schrumpfschlauch selbst angefertigt. Bis auf das Verchromen habe ich alle Arbeiten (incl. Lackierung) selbst in meiner Garage ausgeführt. Nachdem ich mit der Restaurierung fertig war, habe ich dann glücklicherweise einen Ersatztank incl. der Original-Lackierung bekommen.
Dabei wurde klar, daß ich die erste Lackierung (siehe Foto "1. Ausfahrt") nach Angaben von Herrn Wirnitzer nicht ganz korrekt ausgeführt habe. Ich habe dann mittels Pappe diverse Schablonen des Originaltanks angefertigt und neu lackiert. Nach einigem Theater mit Kolben, Kurbelwelle, Elektrik, etc. bin ich mittlerweile in 9 Jahren ca. 20.000 km mit der Express gefahren.

Nach der erfolgreichen Restaurierung trafen wir uns, d.h. Herr Illg (Redaktion) und Herr Schwab (Fotograf)von Motorrad-Classic, bei Emil Wirnitzer in Neumarkt. Dort haben wir alle den ganzen Tag den unheimlich spannenden Geschichten aus erster Hand von Emil Wirnitzer gelauscht. Einige Wochen später erschien dann der Bericht über meine Maschine in Motorrad-Classic und die Restaurierungsgeschichte in der Oldtimer-Praxis.
In dieser Ausgabe rief ich auch alle Express-Besitzer auf, sich zwecks Gründung einer Interessengemeinschaft bei mir zu melden. Zu den ersten gehörten Andreas Behrendt und Dirk Bruchhausen. Unser erstes Treffen fand dann 1995 in Neumarkt auf dem Werksgelände der ehemaligen Express-Werke statt.
Es erschienen sechs Expressler mit ihren Maschinen und , Gott sei Dank, Georg Zimmermann, der ebenfalls sechs seiner Maschinen mitbrachte.

Wir beschlossen, jährlich ein Treffen in Neumarkt abzuhalten, was bis heute auch durchgehalten wurde. Aber erst seit drei Jahren können unsere Treffen als voller Erfolg gewertet werden. Über drei Tage jeweils am Muttertag-Wochenende treffen wir uns mit den ehemaligen Mitarbeitern in Neumarkt. Wir dürfen für unsere Ausstellung der Maschinen am Sonntag die Fußgängerzone benutzen, das Fernsehen und die Lokalpresse berichten regelmäßig über uns. Mittlerweile haben wir vier Ausfahrten durch das sehr schöne Neumarkter Umland ins Programm aufgenommen, mit großer Begeisterung aller Teilnehmer! Das Treffen ist ein absolutes "Muß" für jeden Express-Besitzer.
Ich habe noch nie eine so schöne Interessen-Gemeinschaft kennengelernt.
Seit zwei Jahren findet zusätzlich ein Express-Nordtreffen auf dem First-Classic-Day in Essen statt.

Abschließend kann ich sagen, daß durch meinen damaligen Aufruf eine sehr schöne und einmalige Gemeinschaft entstanden ist. Ich freue mich auf unsere weiter wachsende Express-IG und darauf, Sie hoffentlich als neues Mitglied begrüßen zu können.

Euer Dieter Kastel aus Wuppertal







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